Ein offener Brief von ausspekuliert an die Bundeskanzlerin Angela Merkel
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
eine Mieterhöhung von 800 Euro auf 2.100 Euro. Ein Einzimmer-Appartement für 1.000 Euro. Das ist bei uns in München Alltag. Deswegen haben wir, Münchner Bürger aus unterschiedlichen Berufen, Altersgruppen und Schichten, uns zum Bündnis #ausspekuliert zusammengetan. Am 15.09.2018 haben wir mit rund 11.000 Menschen in München für bezahlbares Wohnen demonstriert. Der Wohngipfel, den Sie in Berlin veranstaltet haben, hat uns gezeigt, dass das Thema auch in Berlin angekommen ist - das ist gut. Aber was dort beschlossen wurde, ist zu wenig. Mehr Bauen ist wichtig, aber das alleine löst die Probleme in den Ballungsräumen nicht.
Was wir in München brauchen, sind schnelle Maßnahmen, um die absurde Mietenexplosion aufzuhalten. Jeder Tag zählt für die Menschen hier. Jeden Monat kommen Menschen zu unserem Mieterstammtisch, die raus müssen aus ihren Wohnungen, die verzweifelt sind und Angst haben, weil sie sich in ihrer Heimatstadt keine Wohnung mehr leisten können. Wir erleben auch die Wut über teils menschenverachtende Methoden der Investoren. Das ist Stoff, der die Gesellschaft spaltet. Längst betrifft das nicht mehr nur Geringverdiener, es sind auch Akademiker oder Familien mit zwei Einkommen darunter, kurz: die Mitte der Gesellschaft.
Wir brauchen Hilfe – jetzt!
- Modernisierungsumlage: Der Vermieter modernisiert - der Mieter zahlt es. Die Umlage macht es möglich, dass Mieten verdreifacht und die Mieter so vertrieben werden. Ein vielfach genutztes legales Mittel, um Häuser leerzuräumen. Die geplante Senkung reicht unserer Ansicht nach bei weitem nicht aus, die Umlage muss weg. Für Vermieter muss ein anderer Anreiz zur Modernisierung geschaffen werden.
- Mietpreisbremse: Ein Gesetz, dass ich übertreten kann, ohne Bußgeld zu zahlen. Die Mietpreis-bremse ist auch nach der geplanten Verschärfung ein stumpfes Schwert. Ein Tempolimit ohne Knöllchen und mit jeder Menge Ausweichrouten zum Weiterrasen. Wir brauchen Sanktionen und weniger Ausnahmen.
- Mietspiegel: Wer seine Mieten nicht erhöht, fliegt aus der Statistik, wer luxussaniert, geht in die Statistik ein. So gibt der Mietspiegel ein verzerrtes Bild von der ortsüblichen Vergleichsmiete. Die Verlängerung des Betrachtungszeitraums von vier auf sechs Jahre ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir brauchen eine realistische Erhebung der ortsüblichen Miete mit der Betrachtung aller Bestands- und Neuvermietungsmieten.
- Kappungsgrenze: Zurzeit dürfen bei laufendem Mietvertrag die Mieten alle drei Jahre um 20 Prozent, in Städten wie München um 15 Prozent erhöht werden. Wie sollen Normalverdiener da mithalten? Gehälter steigen nicht in diesem Maße. Wir brauchen einen stärkeren Deckel - denn uns galoppieren die Mieten davon.
- Grund und Boden: Etwa zwei Drittel der Kosten für Wohnraum entfallen in München auf den Preis für Grund und Boden. Von den Gewinnen profitieren einige wenige. Das muss sich ändern. Grund und Boden muss als knappes Gut im Sinne der Allgemeinheit verwendet werden und darf nicht weiter unbeschränkt der Spekulation unterliegen.
- Gemeinnützigkeit und Genossenschaften: Es gibt sie, Firmen, Stiftungen, Vereine, die bauen wollen und nicht nach schneller Spitzrendite suchen. Und natürlich die Genossenschaften. Nur können und wollen sie nicht mithalten mit spekulativen Bodenpreisen. Sie verdienen Unterstützung und realistische Bedingungen. Wir brauchen solche Akteure.
Gemeinsam mit vielen tausenden von Mietern in München und ganz Deutschland hoffen wir auf Ihre Unterstützung.
Mit freundlichen Grüßen
Tilman Schaich, Uta Klose,
& das team von ausspekuliert